Laudatio von Gunter Schmidt zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Kirchner , Grünsfeld, 27. April 2014
www.gunterschmidt.de
Es ist fast so, als habe sich die Galerie Kirchner für das Frühjahr 2014 ein pädagogisches Programm vorgenommen. Die Galerie heute: voll von „Landschaften“, beim letzten Mal: eine Galerie voller Landschaften. Der Unterschied der künstlerischen Stile ist sehr groß, und das sagt etwas aus über das Naturell von Malerei.
Die Arbeiten von Heike Negenborn (vorausgegangene Ausstellung) bestachen durch ihre detailscharfe Bravour, hatten aber wegen des durchscheinenden Konstruktionsgerüstes eine eigene Note. Man konnte nachvollziehen, dass realistische Illusion etwas Geschaffenes, etwas Konstruiertes ist. Ohnehin weiß jeder, dass auch die allergrößte Naturtreue in der Kunst nur entsteht durch geschickte Zusammenfügung von Farbpartikeln. Ich nenne dies die minimaleste Art der Abstraktion.
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Bei den heute vorgestellten Bildern von Wieland Prechtl ist der Abstraktionsgrad viel höher! Und die Machart ist gänzlich anders. Und doch sind es Landschaftsdarstellungen ... - irgendwie..., irgendwie anders. Ich weiß nicht, ob man die Bilder Landschaftsdarstellung nennen darf. Landschaften gewiss. Wir dürfen unserer Assoziation gerne trauen. Auch der Intention des Künstlers, der ein kraftvolles Spektrum nordisch anmutender Lava- und Urzeit-geprägter Panoramen inszeniert.
Also: Landschaften – ja. Aber Darstellungen?
Darstellung, das klingt nach Konstruktion. Doch nicht Konstruktion ist hier die treibende Kraft, sondern Emotion ! Nicht kalkulierte Anordnung, sondern der spontane Wurf spielt eine Rolle. Spontan und vital, das ist des Künstlers Methode. Die Gemälde sind heftig und kräftig, sie bersten vor Kraft und Wucht. Die Bilder sind Erlebnisse! Sie sind gleichsam selber lebendig. Man glaubt, sie im Entstehen zu sehen. Zumindest kann man sich gut vorstellen, in welch einem prozesshaften Akt der Künstler sie geboren hat.
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PROZESSHAFTER SCHAFFENS-AKT
Sobald sich Wieland Prechtl im Atelier vergräbt, erfasst ihn ein erfrischender, offenbar nie versiegender Schaffensdrang, ein Lavastrom der Arbeitslust. Dieser Vorgang ist ein
zunächst stiller, einsamer, dann wild aufbrechender, Prozess, bei dem der lustwütende Künstler oft genug die Zeit vergisst. Trocknungsphasen, welche die angefangenen Bilder verlangen, stören oder hindern ihn gar nicht, weil er mehrere Malgründe gleichzeitig bearbeitet und später den getrockneten Zustand nochmals beackert.
Beackern sieht etwa so aus:
FARBE wird an manchen Stellen verschlenzt, versprenkelt und gespachtelt. An anderen Stellen wischt sie der Künstler teilweise weg, setzt wieder welche drauf, kratzt Spuren in die pastos-cremige Oberfläche, dreht die Leinwand, stellt sie hochkant, so dass Verläufe entstehen. Das Ergebnis vom Erlebnis ist kraftvoll und differenziert zugleich:
FARBE ALS OBERFLÄCHENMEDIUM
Diverse Farbzonen verschmelzen wie zerlassene Butter,
andere grenzen sich ab wie harter Firnisschnee. Die Oberflächen quellen förmlich über von Farbflüssen in meist dicker Konsistenz. Vielfach gibt es dünne Schichten, ein Hauch von „Nebel“, der die erstaufgetragenen Farbzonen durchscheinen lässt. Manche Stellen sind mit kleinen Poren und Rissen ver-
sehen, so als hätten einander abweisende Konsistenzen wie Öl und Wasser oder sonstwelche Chemikalien beimTrocknen um ihre Position gerungen.
Na und dann die Applikationen von Naturmaterialien in die gemalte Bildfläche – ich erwähne sie hier nur kurz, denn sie erklären sich von allein. Sie tragen erheblich und dazu bei, die Bilder in eigenständige Landschaftswesen zu verwandeln und das urwüchsige Flair zu verstärken. // Während in manchen Gemälden die dicken Farbschichten der Oberfläche betont wird, so macht die Ergänzung durch mineralische bzw. metallische Beigaben etliche andere zu wirklichen Reliefs.
Die Collage des Materials ist in manche Gemälde so hinein- komponiert, dass eine zentrale Landschaftskulisse gebildet und ein hoher Grad realistischer Illusion erreicht wird.
>> ( „Das Paar“, „Eisenberge“, „Schwefelland“)
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FARBE ALS KONTRASTMITTEL
Ich möchte aber nochmal kurz zurückkehren zum Thema FARBE. In meinen bisherigen Ausführungen hatte ich vor allem die Farbmasse betrachtet, die als dicke Haut oder dünner Firnis Oberflächen und Formverläufe prägt.
Richten wir jetzt einen kurzen Blick auf Farbe als Übermittler von Buntheit (= Farbe im Sinne von Färbung).
Nein, viel Buntheit herrscht nicht. Die Palette bleibt schmal und changiert zwischen Blau, Grau und rötlichem Ocker. Schwarz und Weiß spielen eine Rolle, also der am weitesten gespreizte Hell-Dunkel-Kontrast. Überhaupt tragen Kontraste wesentlich zur Dramaturgie der Szenen bei.
Es gibt Bilder, die sind überwiegend Weiß. - Farbig weiß , natürlich. Zu vergleichen etwa mit einer Eislandschaft, die durch Algeneinschlüsse farblich „verschmutzt“ oder von türkis schimmernden Lichtreflexionen überzogen ist, bedingt durch ein umgebendes Wasser mit aufschäumender Gischt beziehungsweise durch kraftblauen Himmel und seine eiskalten Nebelschlieren.
Manchmal schiebt sich ein Rest von graubraunem Fels in die Szenerie, die ansonsten eingebettet ist in schwarzgraue Atmosphäre.
Grob gesprochen war es das schon mit der Farbregie.
Hell-Dunkel-Kontrast spielt die größere Rolle als Buntheit.
Der Hell-Dunkel-Kontrast verleiht den sparsam eingesetzten bunten Farben (in diesem Falle: das kühle Blau-Spektrum) ihre Würde und archaische Wirkung.
Trotz der Zurückhaltung der bunten Mittel – der genauere Blick enthüllt, wie farbig Grau sein kann ! Schieferfarbene Gesteine, in Wirklichkeit oder in der Welt der Bilder – sie changieren zwischen Violett und Umbra. Roter Sandstein schimmert zwischen weißlichem Gelb und Rotorange. In der Dominanz der Ocker-Töne entgehen einem bei ungenauem Schauen die feinen Einschlüsse violett-grauer Gesteinsadern. (Wer war schon mal auf Lanzarote oder am Sinai??!!)
Wenden wir uns nun den Gemälden zu, deren Hauptfarbe das Rotspektrum ist:
Umgeben von atmosphärischer Düsternis scheinen Boden und Felsen aufzureißen, um glühende Lavaströme freizugeben. In manchen Versionen steuert der Maler unseren Blick direkt Blick in die Lavaschlünde, wo gurgelnde Erdschlacken ihre kochend-turbulenten Strudel bilden.
DAS PHANTASTISCH-MEDITATIVE
Sie erinnern sich, worauf ich zu Beginn meiner Ausführungen hinweisen wollte:
Hier ist keine Lava, und hier ist kein Eis. Hier ist nur Farbe! Insofern wird aus dem Abstrakten etwas Konkretes oder das Konkrete ist selber eine Art Abstraktion.
Farbe schafft Form, Kontrast schafft Dramatik. Als Augenmenschen werden wir visuell stimuliert und ergänzen uns die Formen zu Erscheinungen. Doch diese sind nicht nur Phänomene des Äußerlichen.
Was ich meine:
Die Landschaften sind ja keine Abbildungen konkreter Geografien. Sie muten zwar an wie kosmische Weltentstehungsszenarien. Aber Illustrationen im eigentlichen Sinne sind sie nicht! Sie wären hervorragend geeignet zur Illustration eines Wissenschaftsmagazins, aber dafür sind sie nicht konzipiert.
Sie sind Teil der Faszination, die der Maler in der Begegnung mit naturhaften Elementen verspürt. Und sie erwecken im Herzen des Betrachters einen ziemlich deutlichen Nachklang.
Der Künstler vermittelt atmosphärische Impulse und löst beim Betrachter eine Nachbereitung aus, die man getrost als kontemplativ oder meditativ bezeichnen kann. Ich persönlich hatte meditative Bilder bisher immer mit ruhigen Formen assoziiert. Klare Formen sowie die Zartheit pastelliger Farben werden auch weiterhin wesentliche Merkmale bleiben.
Doch Prechtls Bilder, in denen der Mensch als Gestalt gar nicht vorkommt, sondern Naturkräfte walten (als künstlerische Chiffren) – Prechtls Bilder öffnen die Sinne für eine andere Art der Versenkung. Es geht um Ferne, um attraktive Fremde.
Es geht um die Ewigkeit naturhafter Elemente, um deren Gestaltungskraft, um deren potentiellen Verfall und phantastisches Wiedererstehen.
Manche Bildtitel geben Anhaltspunkte für diese Meta-Ebene. Neben den konkreten Dingen wie „Feuerland“, „Eisberge“ od. „Findling“ gibt es welche, die im übertragenen Sinne deutbar auf meditative Ebenen zielen.
> „ Am Rande der Nacht“ oder: „In eine andere Welt“ ,
„Anderswo“ oder „Nowhere“.
So ist auch das Motto dieser Ausstellung angelegt (>> weit,weit weg). „Weit, weit weg“ verstehe ich so: Wenn man im Sinne dieser prächtigen Prechtl-Bilder weit, weit weggeht (sich auf sie einlässt), dann kann es passieren, dass man sich selbst
ganz, ganz nahe kommt !